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Schirra, Gerhard

Schirra, Gerhard
An einem Sonntag, morgens kurz vor der Gottesdienstzeit um ca. 9:30 Uhr, erblickte ich am 13.07.1952 das Licht der Welt. Mit einer Zange hatte man mich herausgezogen, ich soll schrecklich ausgesehen haben. Mein Vater, Priester und Vorsteher in der Neuapostolischen Kirche, kam ins Krankenhaus, nachdem er vorher seinen Gottesdienst zelebriert hatte. Man erzählte mir, dass er, als er mich sah, nicht fassen konnte, dass dieses Bündel sein Sohn sei. Gelb im Gesicht und der Kopf deformiert und verzogen, es muss ein komischer Anblick gewesen sein. So die mir erzählte Version, vielleicht war er einfach nur geschockt und verlor sich in seinen eigenen Gedanken.
An ein wirklich herzliches Vater-Kind-Verhältnis fehlt mir die Erinnerung. Lange durchdrang mich das dumpfe Gefühl, er, der Vater, ein Glied der Familie, akzeptiert meine Gegenwart, und dieses Miteinander reicht völlig aus. Für meine Mutter war ich ein Wunschkind; und sie liebte mich auf ihre Art Liebe zu vermitteln, denn sie war eigen und auch verwöhnt. Na ja, ich liebte sie abgöttisch und konzentrierte mich nur auf sie.
Mein schulischer Werdegang war für meinen Vater nicht so vordergründig, so war mein persönlicher Eindruck, denn wir warteten ja täglich auf das Kommen von Jesus Christus, und warum sollte man sich dann noch Gedanken um die Entwicklung und den Fortschritt des anvertrauten Kindes machen. Schließlich war der oberste Funktionär, der Stammapostel, 1952 zur Zeit meiner Geburt schon 81 Jahre alt. Jesus hatte ihm, als er 80 Jahre alt geworden war versprochen, dass er, der Christus noch zu seinen Lebzeiten wiederkommen würde, um ihn und seine Nachfolger leiblich in die Wolken zu entrücken, um uns dann in diesen Wolken zu einer geistigen und herrlichen Braut Christi zu verwandeln. Welche irdischen Sorgen und Wünsche sollen uns dann noch umkreisen? Gute Schulnoten, eine kindgerechte Entwicklung, soziales Miteinander unter den Spielkameraden, das Festmachen von „weltlichen“ Freundschaften, zählen nicht zu den erstrebenswerten Tugenden, so dachten und redeten die Prediger der Neuapostolischen Kirche.
Oberste Priorität liegt im täglichen Warten auf den Christus, denn wir sind eine große göttliche Familie. Man hofft, denn nur wir, die Neuapostolischen, werden zu Königen und zu Priestern gekrönt, feiern dann dreieinhalb Jahre im Himmel die Hochzeit mit Christus und schauen in der Freude und der Dankbarkeit herunter auf die dann gequälten und leidenden Menschen, die im Holocaust durch den „Wolf“ gedreht werden.
Verkündigt wird von den Predigern: „Auf der Erde wirkt der Antichrist im Blut, Schmerz, Kummer, Hunger und Elend, dann dürfen wir als Braut mit unserem Bräutigam am Hochzeitstisch sitzen, dem Elend zuschauen und jubeln.“ So habe ich es erlebt.
Nach dem schrecklichen Verderben kommen wir dann mit Christus zurück auf die Erde, errichten ein tausendjähriges Friedensreich und regieren mit ihm in 144.000 Königreichen.
Damals in den 50iger Jahren gab es fast 500.000 Neuapostolische. Die Chance zur Berufung zum Regenten und König war also noch verhältnismäßig groß, eins zu vier, mit etwas Anstrengung und den Hilfen der „Vorangänger“, den Funktionären und Segensträgern, war das Mögliche realistisch zu erreichen.
Eine 100 %ige Garantie ist dem zugesagt, der freudig die angebotenen Gottesdienste besucht und dann auch freudig das Werk des Herrn den Unwissenden nahebringt.
Wer keinen Gottesdienst mutwillig versäumt, dem werden sonntäglich und am Mittwoch alle Sünden vergeben, und wenn der Christus gnädig ist, dann kommt er direkt nach der Sündenvergebung und führt die „Schäfchen“ als Gereinigte und von aller Schuld befreit heim ins Vaterhaus. Wehe aber dem, der die Gnade mit Füßen tritt und eigensinnig diesen letzten Gottesdienst mutwillig versäumt, Christus donnert: „Ich kenne dich nicht!“
Die Getreuen werden in den zugewiesenen Königreichen als Könige, stellvertretende Regenten und Priester legitimiert. Sie regieren dann als Stütze der göttlichen Kraft. Voller Ehrfurcht, so sagen sie, werden die Menschen uns „Göttern“ begegnen, dann werden wir leuchten in Schönheit, Pracht und Macht in unserem Astralkörper.
Ja, so begreift man das Neue Testament, den Johannes in der Offenbarung, so und nicht anders.
Plötzlich und unerwartet starb der alte Mann am 06.07.1960, sieben Tage vor meinem neunten Geburtstag. Wie konnte er uns so etwas Schreckliches nur antun, sich einfach wegstehlen? Ein gewaltiger Schock ging durch das Gottesvolk, alle waren wie gelähmt.
Meine Mutter kam, nachdem sie telefonisch von der unvorstellbaren Katastrophe hörte, eilend zu mir gelaufen, ins Schlafzimmer zu dem noch siebenjährigen Jungen, nahm mich weinend in die Arme und schluchzte völlig aufgelöst: „Der liebe Stammapostel ist tot.“ Da standen wir nun, die Mutter und das unschuldige Kind, wir weinten beide herzzerreißend. Die Welt ging unter, und warum nur hat der Christus seinen Plan geändert? [...]

(Auszug aus dem Vorwort)

  

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