Täglich schaue ich in den Spiegel auf der Suche nach der Wahrheit hinter der Wirklichkeit. Wer bin ich? Das Bild im Spiegel begleitet mich wie ein geliebter Vertrauter oder stellt mich infrage wie einen Fremden. Es spiegelt die Seele wider, macht in klug eingerichteten Modetempeln schlanker, jünger und schöner, aber zu Unzeiten alt und grau; der Blick in Glasscheiben verzerrt das „echte“ Ab-Bild bis in die Lächerlichkeit, sodass ich „den da“ gar nicht kennen mag. Mein Spiegelbild ist mehr als eine Reflexion, es ist ein warmer, geschmeidiger Körper. Eines Tages beschließt „der da“ im Spiegel, Schluss zu machen mit der Abhängigkeit und beginnt, sich von seinem Gegenüber zu lösen; er wäre lange genug nur das Anhängsel gewesen. Die Verwandlung des Spiegelbildes in eine Person aus Fleisch und Blut, erst stolz auf mich und sich dann doch von mir abwendend. Eine Halluzination also, anfangs kaum merklich, doch dann immer brutaler bis zur völligen Realwerdung der Phantasie.