Gunter Preuß In den vergangenen Jahren vom zunehmend mit Gewinn versprechenden Fabrikaten verpanschten Literaturbetrieb abgekehrt, veröffentlichte er Manuskripte auch als Selbstpublikation. So bei „Engelsdorfer“, wo Manuskripten noch der notwendige Spielraum eingeräumt wird.
Gunter Preuß, Leben
Gunter Preuß ist der zweite Sohn einer sächsischen Hausangestellten und eines schlesischen Metzgers. Nach der Flucht vor den nahenden Kriegswirren aus Schlesien verbrachte Preuß seine Kindheit in seiner Geburtsstadt Leipzig und zeitweise in einem Auendorf bei Halle (Saale). Nach Absolvierung der Grundschule und von 1954 bis 1957 eine Ausbildung zum Fernmeldemechaniker. Danach versuchte Ausbrüche aus familiärer wie beruflicher Enge in verschiedene Tätigkeiten und den Leistungssport (Judo) an der DHfK Leipzig. Eigentlich auf dem Weg in die Südsee hielt es ihn im gespaltenen Berlin und er studierte von 1960 bis 1962 an der „Ostberliner Fachschule für Artistik“ (Heute: „Staatliche Artistenschule Berlin“), kehrte nach Leipzig zurück und arbeitete an der Karl-Marx-Universität als Fernmelderevisor. Nach ersten Veröffentlichungen von Kurzgeschichten in Zeitschriften und Magazinen wurde Preuß Mitglied der Nachwuchsorganisation des DDR-Schriftstellerverbandes AJA. Von 1970 bis 1974 Studium am Literaturinstitut "Johannes R. Becher" in Leipzig. Anschließend als freischaffender Schriftsteller tätig. Als Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR war er im Leipziger Vorstand für Werkstattarbeit (die Vorstellung neuer Manuskripte) verantwortlich. Von 1986 bis 1988 unterrichtete er als Oberassistent am Literaturinstitut im Fach Prosa. Anschließend wiederum freiberuflich. Lebt heute in Lützschena bei Leipzig. Preuß wurde immer wieder wegen seiner DDR-kritischen Haltung ̶ wobei er vor allem mehr Offenheit und individuellen Spielraum anmahnte ̶ öffentlich gemaßregelt und war mit seiner Familie staatlichen Repressalien ausgesetzt. Andererseits bekennt er sich dazu, in der DDR viel Förderung und Zuwendung erfahren zu haben, was seine Meinung über eine zunehmend schizophrene Gesellschaft festigte. Dennoch war er wohl zu lange der Auffassung, dass die gesellschaftlichen Verhältnisse aus eigener Kraft gebessert werden könnten. Preuß und drei weitere Schriftsteller aus dem Raum Leipzig/ Halle (Saale) waren einzige Unterzeichner einer Leipziger Protestschrift gegen die Ausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Mit Werner Heiduczek stimmte Preuß gegen den vom Leipziger Vorstand geforderten Ausschluss Erich Loests aus dem Schriftstellerverband. Er und drei weitere Schriftsteller waren einzige Unterzeichner einer Leipziger Protestschrift gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns. Mit Werner Heiduczek stimmte Preuß gegen den vom Leipziger Vorstand geforderten Ausschluss Erich Loests aus dem Schriftstellerverband. Im Zutrauen auf Gorbatschow, Glasnost und Perestroika und mit dem ungebrochenen Willen zur gesellschaftlichen Erneuerung trat Preuß, der bis dato jeder Parteizugehörigkeit widerstanden hatte, in die SED ein. Die Mitgliedschaft währte nur kurz. ̶ Noch vor der „Wende“ hatte sich seine Hoffnung auf eine freiheitliche und somit weltoffene sozialistische Gesellschaft bereits erschöpft. Gunter Preuß hat sich in fast allen Genres der Literatur zu Wort gemeldet. Von Beginn an schrieb er auch für Kinder und Jugendliche. Einige seiner Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Seit seiner Jugend begleitet ihn der Roman „Und wenn ich sterben sollte“ ̶vormals „Nimm Abschied und gesunde“, mehrfach überarbeitet und in verschiedenen Verlagen veröffentlicht, als Trilogie geplant ̶ , in dem sich Autobiografisches und Erfundenes in den Nachkriegsjahrzehnten deutscher Zeitgeschichte vermischen. Der Der 2009 erschienene Band „Rufe in die Wüste - Aufsätze und Interviews von gestern und heute“ gewährt unverstellten Einblick in Preuß´ Biografie und zeigt seine engagierte kritische Haltung in zwei Gesellschaftsordnungen. Das „Warum?“ gehört ebenso wie das „Dennoch“ zu seinem Credo. In Preuß´ Essaybänden, in denen er sich als realistischer Pessimist sieht, befindet er sich in Auseinandersetzung mit dem Menschen an sich, dem Zeitgeist und nicht zuletzt mit sich selbst. ̶ In den vergangenen Jahren vom zunehmend mit Gewinn versprechenden Fabrikaten verpanschten Literaturbetrieb abgekehrt veröffentlichte er Manuskripte auch als Selbstpublikation. Preuß rechnet sich zu den Narren, die für ihre Krummheit geradestehen. In seinen Prosaarbeiten, wie auch in Theaterstücken und einer Vielzahl von Hörspielen rücken oft Außenseiter in den Brennpunkt: „Menschen, die ausziehen, das Fürchten (Leben) zu lernen“. Mit „Kurzwaren“ legt er 2011 seinen siebenten Band Sinn- und Unsinnsprüche vor. Preuß ist Mitglied des „PEN-Zentrums Deutschland“ und gehört dem „Verband Deutscher Schriftsteller“ an.
Werke (Auswahl)
Erzählungen, Kurzgeschichten und Romane Die Grasnelke, 1973 Die großen bunten Wiesen, 1976 Verbotene Türen, 1985 Nimm Abschied und gesunde, 1985 Spiegelscherben, 1986 Der 884. Montag, 1999. Gesichter und Masken, 1999 Aus der eigenen Haut, 2000 Grauer, 2001 Fußspuren werde ich hinterlassen, 2009 Die Gewalt des Sommers, 2012 Und wenn ich sterben sollte, 1985 Berührungen, 2020
Kinder- und Jugendliteratur Julia, 1976. Tschomolungma. 1981 Feen sterben nicht, 1985 Winternachtsmärchen, 1985 Annabella und der große Zauberer, 1986 Vertauschte Bilder, 1991 Die kleine Hexe Toscanella (1993 – 2014/ 5 Titel) Stein in meiner Faust, 1993 Das Geheimnis des blauen Lichts, Kinderbuch, 1994 Wie ein Vogel aus dem Ei, 1998 Die Falle, 2000 Niccolò und die drei Schönen, 2006 Hexensprüche für Menschenkinder, 2007 Neues von Gretel und Hänsel, 2021
Gedichte Wenn ich ein weißer Dampfer wär, 2000 Mit den Augen der Nacht, 2003 Fang mich doch, 2006 Augenblicke, 2011 Seine Majestät lässt bitten! (Nach Camille Saint-Saȅns „Karneval der Tiere“), 2014 Wer lesen kann, der hat gut lachen (Illustrator: Klaus Ensikat), 2015 Unsre lieben Kinder ̶ Kleines Schwarzbuch, 2016 Die Struwwelpetra. (Illustrator: Egbert Herfurth), 2016 Rügener Gesichter, 2017
Theaterstücke Muzelkopp, 1977 Das große Zwergenspiel, 1988 (Theater der Zeit, Abdruck 07/1988) Des großen Zauberers Haus, 1996 (zusammen mit Felicitas Loewe) Am Marterpfahl (und drei weitere Episoden), 1999 Das kleine Hexeneinmaleins (Singspiel), 2003 Stein in meiner Faust, 2008 Die kleine Hexe Toscanella, (Figurentheater), 2017
Fernsehfilme/ Hörspiele Ein verdammt wunderschöner Tag, 1976 Hochzeitsreise, 1979 Große Liebe gesucht, 1989 mehrere Trickfilme Ein Tag aus dem Leben des Ulli Ferch, 1974 Robbes Kampf um Vineta, 1975 Tschomolungma, 1980 Margit mit der Stupsnase, 1986 Geisterstunde, 1992 Gefangen, 1993 Der rastlose Maui, 1994 Segelohr, 1995 Das Messer, 1997
Essayistik Rufe in die Wüste (Aufsätze und Interviews), 2009 Pyrrhussiege, Betrachtung und Zwiegespräch, 2013 Mensch, Mensch – ein vorhergesagter Nachruf, 2018 Vor Toresschluss (Zeichnungen: Dietrich Wenzel), 2022
Auszeichnungen
Erich-Weinert-Medaille, 1976 Kunstpreis der Stadt Leipzig, 1979 Alex-Wedding-Preis der Akademie der Künste, 1986 Brüder-Grimm-Preis des Landes Berlin, 1999 Gellert-Preis, 2000